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Peking in Langenselbold

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Julia Dummer
Peking in Langenselbold

Im Schloss Langenselbold sind das „Napoleonzimmer“, das „Kaminzimmer“ und, das „Fürstinnenzimmer“ mit prachtvollen seidenen Pekingtapeten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ausgestattet. Während das „Napoleonzimmer“ bereits 2004 von der Textilrestauratorin Brigitte Dreyspring bearbeitet wurde, wurden 2005 die Wandbespannungen der beiden anderen Zimmer unter Leitung der Verfasserin abgenommen, restauriert und wieder in den Räumen montiert. Im Zuge der konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen erfolgte zu dokumentarischen Zwecken auch eine technologische und naturwissenschaftliche Untersuchung der Wandbespannungen.

Das Schloss

Bekannt ist, dass um 1900 verschiedene Zweige der fürstlichen Familie in die Räumlichkeiten einzogen und dauerhaft bewohnten. In diesem Zusammenhang kam es zu baulichen Umgestaltungen. Aus der Zeit um 1943 existieren Fotografien einzelner Schlossräume. Eine Aufnahme zeigt das „Fürstinnenzimmer“, ausgestattet mit der heute noch anzutreffenden Wandbespannung und eingerichtet mit einer Möblierung des Neorokoko. Es wurde als Schlafzimmer genutzt. Zu jener Zeit war das erste Obergeschoss von der Erwerbung ausgenommen. Dieses wurde von den noch verbliebenen Prinzessinnen Maggi und Maja bewohnt. Nachdem diese 1997 das Schloss verließen, wurde auch dieses Geschoss der Stadt Langenselbold übergeben. Soweit bekannt, sind keine Archivalien über das Schlossinventar erhalten, weder aus der Zeit der Erstausstattung noch aus den folgenden Jahren.

Die Pekingtapeten in Schloss Langenselbold

Wie das „Napoleonzimmer“, das im Folgenden nicht weiter thematisiert wird, befinden sich das „Kaminzimmer“ und das „Fürstinnenzimmer“ im ersten Obergeschoss des ehemaligen Wohntraktes der Schlossanlage. Außer den seidenen Wandbespannungen, so genannte Pekingtapeten, sind keine weiteren Raumausstattungen, beispielsweise Fensterdraperien, aus diesen Räumen erhalten.
Die drei Wandfelder des „Kaminzimmers“ sind mit einem hellgelbgrundigen Gewebe bespannt. Das Gewebe ist in eher zarter Art und Weise bedruckt und bemalt: leichte zickzackförmige Ranken mit kleinem Blattwerk steigen empor. An den Ästen hängen verschiedenfarbige vierblättrige Blüten. Innerhalb eines jeden Rapportes sitzt ein bunter exotischer Vogel im Rankenwerk.
Im „Fürstinnenzimmer“ sind ebenfalls drei Wandfelder ausgekleidet. Das hier hellgrüngrundige Seidengewebe ist nun in kräftigerer Manier bedruckt und bemalt. Die geschwungenen Ranken mit unterschiedlichem Blattwerk tragen bukettartige Gebilde aus verschiedenen Blumen, Knospen und Früchten. Innerhalb eines Rapportes sitzen in den Ästen jeweils zwei bunte exotische Vögel, die sich winden und interessiert nach den Früchten schielen.
Bei der Abnahme der nördlichen Wandbespannung im „Fürstinnenzimmer“ kam außerdem eine weitere Pekingtapete zutage, die gröber gewebt ist und aus pflanzlichen Fasern besteht. Vermutlich wurde dieses Gewebe zu unbekannter Zeit bei sichernden Reparaturmaßnahmen partiell hinter die seidene Wandbespannung geklebt. Es diente einst ebenfalls als Wandbespannung, worauf die Nagellöcher und Farbspuren an den Randkanten hinweisen. Auch dieses Gewebe entspricht in seiner Gestaltung einer typischen Pekingtapete. Hier trägt das sich locker schlängelnde Rankenwerk große opulente Blumen mit üppigen, gezackten Blättern neben kleineren zarteren Blütengebilden und filigraneren Blättern. Besonders markant fällt der intensive lapislazuliartige Farbton der großen Blüten auf.

Das „Kaminzimmer“

Im „Kaminzimmer“ sind heute drei Wandfelder mit der seidenen Wandbespannung ausgekleidet. Das Seidengewebe war zum Zeitpunkt der Abnahme mit industriell gefertigten Nägeln auf das in die Wand eingelassene hölzernes Lattengerüst genagelt. Die einzelnen Gewebebahnen, aus denen ein Wandfeld zusammengesetzt ist, sind mit Nähmaschinennähten mit einem braunen Garn miteinander Verbunden. Die Art der Nägel und die Verwendung einer  Nähmaschine deuten auf eine Montage hin, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts durchgeführt worden sein kann. Archivfotos dieses Raumes belegen zusätzlich, dass die Wandbespannung in der heute vorliegenden Montage auch 1943 bestand.  Anlass für diese Montage können die Umbauaktivitäten der fürstlichen Familie im Kontext ihres Einzuges in das Schloss um 1900 gewesen sein.
Im Weiteren zeigte sich, dass es sich bei der 2005 abgenommenen Montage wahrscheinlich um eine Zweitmontage handelt. Grund für diese Annahme gaben die in den Verbindungsnähten vorhandenen  Spuren von Handnähten mit Resten eines hellgelben Garns. Die aufgetrennten Handnähte sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Bahnen bei der Erstmontage in einer anderen Konstellation zusammengesetzt waren.
Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass vor der Zweitmontage dieser Pekingtapete im „Kaminzimmer“ bereits eine Wandbespannung angebracht war. Nach der Abnahme 2005 kam in den betreffenden Wandfeldern eine unbemalte, einfache Unterbespannung aus einem gröberen Gewebe aus pflanzlichen Fasern zum Vorschein, die möglicherweise ins 18. Jahrhundert zu datieren ist, in die Zeit der Erbauung des Schlosstraktes. Diese Unterbespannung war mit geschnittenen Nägeln, d.h. Nägeln, wie sie auch im 18. Jahrhundert hergestellt wurden, angebracht. Auf das die Wandfelder einrahmende hölzerne Lattengerüst ist mit den gleichen Nägeln ein teilweise nur fragmentarisch erhaltenes Leinenband genagelt. An diesem Leinenband sind Nahtspuren mit Resten des gleichen hellgelben Gams vorhanden, wie es an den Bahnen der abgenommenen Wandbespannung angetroffen wurde. Auch wurden an der Ostwand unter der Nagelung vereinzelt kleine  Fragmente eines hellen Seidengewebes gefunden. Diese Fragmente ähneln technologisch der aktuell in diesem Raum montierten Pekingtapete, ebenso wie der aus dem „Fürstinnenzimmer“ und der aus dem „Napoleonzimmer“. Daher ist es möglich, dass hier bei einer Vorgängermontage eine der Wandbespannungen aus den drei Räumen angebracht war. Der Zeitpunkt der Vorgängermontage lässt sich aufgrund der verwendeten geschnittenen Nägel ebenfalls ins 18. Jahrhundert datieren.

Das „Fürstinnenzimmer“

An den Wandfeldern des „Fürstinnenzimmers“ wurden, ganz ähnlich wie im „Kaminzimmer“, ebenfalls deutliche Spuren einer erst und Zweitmontage festgestellt. Beide Räume wurden vermutlich jeweils gleichzeitig sowohl für die Erst als auch für die Zweitmontage bearbeitet. Das belegen die im „Kaminzimmer“ und die an dieser Wandbespannung angetroffenen identischen Materialien: die geschnittenen Nägel, das hellgelbe Garn an den Handnähten, das braune Garn an den Nähmaschinennähten und das Leinenband. Auch hier trat bei der Abnahme der Wandbespannung 2005 die gleiche Unterbespannung aus pflanzlichen Fasern zutage.
In diesem Raum wurden die Wandbespannungen jedoch bei der Zweitmontage in der bestehenden Konstellation belassen. Dies ist an den intakten Handnähten, die hier exakt mit Nähmaschine übernäht wurden, erkennbar ist. Demzufolge waren die Bespannungen der Erstmontage gleich breit oder etwas breiter als die der aktuellen Montage.
An der Wandbespannung der Nordwand wurden bei der Zweitmontage die bestehenden Handnähte nicht mit der Nähmaschine übernäht. Dies geschah vermutlich, um eine bestehende kleinere Bespannung der Erstmontage an die größere Wandbespannung der Zweitmontage anzupassen. Hier wurden lediglich die beiden äußeren Bahnen unter Zuhilfenahme einer Nähmaschine ergänzt. Die äußerst rechte Bahn ist aus mehreren Bahnfragmenten der originalen Pekingtapete aus dem „Fürstinnenzimmer“ zusammengestückelt. Um das Wandfeld zu komplettieren war es sogar notwendig, an die äußerst linke Gewebebahn eine Kopie des originalen Gewebes anzufügen. Diese Kopie unterscheidet sich gegenüber dem Original durch eine höhere Gewebebreite sowie eine abweichende Gewebebindung. Auch erscheint der Duktus der Malerei der Kopie weniger akzentuiert ausgearbeitet. Heute ist dieses Seidengewebe im Gegensatz zu dem originalen Gewebe verbräunt und stark versprödet. Derartige Versprödungen weisen Seiden, die um die Wende des 20. Jahrhunderts hergestellt wurden, häufig auf.
Weiterhin wurden im Zuge der Vorarbeiten für die Zweitmontage bereits damals geschädigte Bereiche von der Rückseite partiell mit Flickengeweben hinterklebt. Hierzu fand in der Regel das  Gewebe der Pekingtapete aus dem „Kaminzimmer“ Verwendung. Eine Ausnahme bildet der obere Bereich der Nordwand, der flächig mit ganzen Bahnabschnitten der eingangs beschriebenen Pekingtapete aus pflanzlichen Fasern hinterklebt wurde. In diesem Bereich waren schon damals deutliche mechanische Abnutzungserscheinungen -Risse und Fehlstellen im Seidengewebe vorhanden. Es stellt sich die Frage, wie es in einer Höhe von ungefähr 3,50 Metern zu derartigen Schädigungen kommen konnte. Insgesamt fällt in diesem Raum an allen drei Wandfeldern der irritierende Musterverlauf ins Auge. Bei der 2005 angetroffenen Montage haben die beiden Vögel, die sich jeweils in einem Rapport befinden eine unnatürlich wirkende Haltung und die traubenartigen bunten Früchte „hängen“ nach oben. Wird der Musterrapport um 180° gedreht, wirkt die Haltung der Vögel natürlicher und die Trauben hängen gemäß der Schwerkraftwirkung. Vermutlich waren die Wandbespannungen bei der Erstmontage um 180° gedreht angebracht. Die an der Nordwand stark geschädigten Bereiche befanden sich demzufolge wahrscheinlich ursprünglich im unteren Bereich. Die unteren Bereiche von Bespannungen sind in der Regel deshalb so stark geschädigt, weil sich hier die Nutzer des Raumes bewegen. Dass die Bespannung trotz der vorhandenen Schäden für eine Zweitmontage eingesetzt, hinterklebt und sogar ein etwas seltsam anmutender Musterverlauf in Kauf genommen wurde, zeigt die hohe Akzeptanz und Wertschätzung der Pekingtapete. Bei der Wiedermontage 2005 wurde die Wandbespannung entsprechend des Musterverlaufs bei der Abnahme also erneut „falsch“ angebracht, da die stark geschädigten Bereiche so weniger offensichtlich und besser geschützt sind.

Herstellungstechnik und verwendete Materialien

Neben stilistischen Merkmalen und Archivrecherchen können auch die Herstellungstechnologie und eine Bestimmung der verwendeten Materialien Hinweise auf eine mögliche Provenienz liefern. Im hier beschriebenen Fall bestand darüber hinaus die Möglichkeit, neben einer technologischen Analyse auch naturwissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen. Anhand eines Vergleiches mit Informationen von verschiedenen anderen Pekingtapeten lassen sich mögliche Zusammenhänge aufzeigen.
Sowohl die seidene Pekingtapete aus dem „Kaminzimmer“ als auch die seidene Pekingtapete aus dem „Fürstinnenzimmer“ hat eine Gewebebreite von ca. 76 cm, ohne Webkante. An fast allen Bahnen sind die Webkanten abgeschnitten. Lediglich an einer Bahn aus dem „Kaminzimmer“ ist eine Webkante erhalten. Beide Seidengewebe haben eine Gewebedichte von ungefähr 74 bis 76 Kettfäden zu 25 bis 28 Schussfäden pro cm. Diese Gewebebindung ist eine Louisine, eine Abwandlung der Leinwandbindung. Die Kettfäden bestehen jeweils aus einem einfachen Garn mit einer leichten Z-Drehung, die Schussfäden sind ungedreht. Beide Rapporthöhen betragen ungefähr 100 cm.
Im Rahmen der naturwissenschaftlichen Untersuchungen wurde den Fragen nachgegangen, mit welchen Substanzen die originalen Seiden und die Kopie bei der Herstellung behandelt wurden, ob und womit die Seide nach dem Entbasten beschwert bzw. ob und welche Appretur eingebracht wurde, um ein Auslaufen der Farben beim Bemalen zu verhindern. Auch sollten die Malmittel weitestgehend bestimmt werden.
An allen drei Seiden konnten keine signifikanten Nachweise einer Anwendung von Metallsalzen zwecks Beschwerung oder Appretur erbracht werden. Diese Feststellung lässt jedoch die Möglichkeit offen, dass organische Substanzen zur Anwendung kamen, eine alternative Beschwerung, wie sie auch in der Literatur erwähnt wird. Im „Kaminzimmer“ konnten Malachit als grünes und Gummigut als gelbes Farbmittel sowie die Verwendung von organischen Farbstoffen und Bindemitteln nachgewiesen werden. An der originalen Seidentapete aus dem „Fürstinnenzimmer“ wurde ebenfalls die Verwendung von Malachit als grünes Farbmittel und Bleiweiß zum Abmischen sowie als Grundierung festgestellt. Auch hier zeigen die Ergebnisse einen grundsätzlichen Gebrauch von organischen
Farbstoffen und Bindemitteln.
Aus einem Vergleich mit anderen Pekingtapeten geht hervor, dass sie sich in Gewebebreite und Bindung ähneln können. Eine mit den Langenselbolder Pekingtapeten vergleichbare Pekingtapete befindet sich heute im „Päonienzimmer“ des Museums Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda. Diese Wandbespannung stammt möglicherweise ursprünglich aus Schloss Rumpenheim bei Offenbach. Gewebebreite und Bindung entsprechen annähernd denen der Pekingtapeten aus Langenselbold.
Weitere über Publikationen zugängliche seidene Pekingtapeten sind aus dem Chinesischen Haus in Potsdam bekannt. Hier wurden Fragmente mehrerer Pekingtapeten gefunden. Die dort im mittleren Kabinett angetroffenen Fragmente sind wie die Gewebe aus Langenselbold und das in Eichenzell ebenfalls in Louisine gewebt. Letztere jedoch in einer webtechnisch etwas feineren Ausführung. Eine Gewebebreite konnte in Potsdam nicht festgestellt werden, da von der ebenfalls in Louisine gewebten Pekingtapete lediglich Fragmente vorliegen. Eine andere Pekingtapete aus dem Nordostkabinett des  Chinesischen Hauses in Potsdamm ist in einer anderen Gewebebindung hergestellt, in Atlasbindung, und hat eine Gewebebreite von 71 cm. Bei naturwissenschaftlichen Untersuchungen konnte zudem festgestellt werden, dass das Gewebe nicht mit Zinn beschwert wurde. Als Farbmittel wurden ebenfalls Malachit und Bleiweiß nachgewiesen.

 Konservierung / Restaurierung

Die Seidengewebe aus beiden Räumen waren zu Beginn der konservatorischen Arbeiten stark mit Staub, Ruß und Spinnweben verschmutzt. Der pH-Wert der Seiden lag zwischen 3,5 und 4. Der Zustand der Seidengewebe variierte, war jedoch allgemein als relativ fragil und spröde zu beschreiben. Partiell waren Fehlstellen und Risse vorhanden. Auffallend stark zersetzt stellte sich das Gewebe der Kopie an der Nordwand im „Fürstinnenzimmer“ dar. Dieses Gewebe hatte eine an verbranntes Papier erinnernde Konsistenz und war in den von Licht beschienenen Bereichen stark verdunkelt. In den vor Licht geschützten Bereichen unter den Zierleisten waren die Gewebe bei der Abnahme 2005 allgemein in einem wesentlich stabileren Zustand. Die Malerei zeigte eine gute Verbindung zum Träger Seidengewebe. Durch Hängung, Klimaeinflüsse und auch webtechnisch bedingt hatten sich Beulen und Verzerrungen in den Geweben gebildet. Als Schadensursache kann in erster Linie die natürliche Alterung, der schädigende Einfluss des Lichtes, weiterer Umwelteinflüsse und die Beanspruchung durch die Zugkräfte, die durch die Hängung einwirken, gesehen werden. Schwerpunkt der konservatorischen und restauratorischen Arbeiten war, den spröden Geweben wieder eine ausreichende Stabilität und Unterstützung zu verleihen, um weiter dauerhaft an der Wand montiert zu sein.
Daher musste im Vorfeld jeglicher Maßnahmen eine geeignete Sicherungsmethode gefunden werden. Aufgrund der flächigen Fragilität der Seidengewebe konnte eine Nähkonservierung ausgeschlossen werden. Bei einer Nähkonservierung wird das originale Gewebe zur Herstellung von Stabilität und zur optischen Schließung von Fehlstellen partiell oder flächig mit einem Trägergewebe unterlegt. Das originale Gewebe wird auf dem Trägergewebe mit feinen Spannstichen nähtechnisch fixiert. Ist das originale Gewebe sehr spröde, wie in diesem Fall, reicht eine punktuelle Fixierung wegen der fehlenden Kraftübertragungsmöglichkeit nicht aus.
Der Vorteil einer Nähkonservierung ist, dass die Arbeiten in der Regel an der Wand, an der montierten Wandbespannung ausgeführt werden und auf die Strapaze einer kompletten Abnahme verzichtet werden kann. Um einen Zugang zur Rückseite zu schaffen, muss die Nagelung lediglich streckenweise gelöst werden. Zur Unterstützung von derart spröden Geweben, wie es die hier Beschriebenen sind, bietet sich als Alternative eine Klebedoublierung, für die  sich aus oben genannten Gründen auch entschieden wurde. Mit dieser Methode kann dem Gewebe durch Hinterkleben eines Trägergewebes die notwendige flächige Stabilität geboten und Fehlstellen können geschlossen werden. Um die Arbeiten ausfuhren zu können, war es unumgänglich die Wandbespannungen von der Wand abzunehmen.
Auch in Vorbereitung auf die Klebedoublierung wurden die anhaftenden Verschmutzungen durch eine vorsichtige manuelle Reinigung der Vordere und Rückseiten entfernt. Zur weittestgehenden Glättung der Beulen und Verzerrungen wurde das originale Gewebe unter Einsatz von kontrollierter Feuchtigkeit partiell entspannt und anschließend temporär mit Gewichten beschwert.
Als Trägergewebe für die Klebedoublierung fiel die Entscheidung zugunsten eines Seidentaftes, der dem originalen Seidengewebe in Farbigkeit und Gewebebindung weitestgehend entspricht. Das Trägergewebe musste eine ausreichende Stabilität aufweisen, um langfristig das eigene Gewicht und das der aufdoublierten Wandbespannung tragen zu können. Zur Vorbereitung wurde das Trägergewebe dünn mit einem Gemisch der Acrylklebstoffe ,,498 HV“ und ,,360 HV“ der Firma Lascaux mit entmineralisiertem Wasser beschichtet. Die beiden verwendeten
Klebstoffe entsprechen den heute in der Konservierung formulierten Ansprüchen an Alterungsverhalten und Reversibilität. Da die Haftung zwischen originalem Gewebe und beschichtetem Doubliergewebe allein nicht ausreichte, musste eine Kontaktbrücke hergestellt werden. Hierzu wurden die Rückseite des originalen Gewebes mit Klucel G, gelöst in 94 % Ethanol, hauchdünn eingesprüht. Hergestellt wurde die Haftung zwischen Rückseite des Originals und dem beschichteten Trägergewebe durch kontrolliert eingesetzte Wärme. Die Doublierung wurde flächig auf die Rückseiten der jeweiligen Bahnen, aus denen sich eine Wandbespannung zusammensetzt, „von Naht zu Naht“ ausgeführt. Nach Fertigstellung der Doublierung wurden die einzelnen Bespannungen entsprechend der vorherigen Montage in den Wandfeldern angebracht.
Da der obere Bereich der Wandbespannung der Nordwand besonders fragil ist, wurde dieser zum weiteren Schutz zusätzlich von der Vorderseite des Originals mit einer entsprechend eingefärbten Seidengaze abgedeckt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Vorfeld und begleitend zu den konservatorischen und restauratorischen Arbeiten viele Informationen zusammengetragen werden konnten. Diese Informationen liefern Kenntnisse über den technologischen und zeitgenössischen Kontext, Anhaltspunkte, die die Wertschätzung für das Objekt hervorheben, eine Vergleichbarkeit mit ähnlichen Objekten ermöglichen und eine aufwändige konservatorische und restauratorische Behandlung rechtfertigen helfen
Betrachtet man die Pekingtapeten im Gesamtzusammenhang und vergleicht die Erkenntnisse mit ähnlich dokumentierten Objekten, können Fragen zur herstellungstechnischen Provenienz möglicherweise mit der Zeit beantwortet werden.
In Bezug auf die beiden Pekingtapeten aus Schoss Langenselbold zeigte sich, dass sich bereits vor der 2005 abgenommenen Montage Wandbespannungen in den beiden Räumen befunden haben. Die  Vorgängermontagen lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit in die Erbauungszeit des Schlossteils, Mitte des 18. Jahrhunderts, datieren. Wahrscheinlich handelt es sich um die hier beschriebenen Wandbespannungen, die zu jener Zeit hoch modern waren.

14.September 2008


Anmerkungen
1. Vgl. eine historische Fotografie vom Vorzimmer zum „Napoleonzimmer“, die sich im Bildarchiv Foto Marburg befindet (LA 458/11). Hier ist die Tapete an den Bildrändern zu sehen.
2.  Textiltechnische Untersuchung „Befund und Restaurierungskonzept Schloss Langenselbold, Napoleonzimmer“, von Textilrestauratorin Brigitte Dreyspring, 2003, interner Bericht für das Landesamt für Denkmalpflege Hessen
3.  Walser-Ziegler, Christine: Erschwerte Seide, in: Restauro 6/2003, S. 432-438
4.  Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen wurden im Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften in Köln durchgeführt. Interner Bericht von H. Kutzke, 2006 (unveröffentlicht)
5. Walser-Ziegler, Christine, a.a.O.
6.  Generaldirektion der Stiftung Schlösser und Gärten Potsdam- Sanssouci, Textile Kostbarkeiten in Sanssouci bewahrt, Potsdam 1993, S. 78ff.

Prinzessin Margarete von Isenburg
Seidentapete
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